Health-Blog | Story-Blog

Halsband oder Geschirr?

Wir nennen sie Partner und doch würgen wir sie, was ist denn nun besser ein Halsband oder ein Geschirr?

Wir nennen sie Partner – und doch würgen wir sie?

Während ich diese Zeilen schreibe, weiss ich schon ganz genau, was ich machen werde, sobald dieser Artikel online geht. Ich öffne mir eine Flasche Bier und werde mich auf die kommenden Kommentare „freuen“.

Halsband oder Geschirr? Genauso gut könnte ich, wollte ich die Gemüter erhitzen, fragen:

„Ich habe einen Rassehund von ebay-Kleinanzeigen, soll ich ihn lieber mit Frolic oder Nassfutter von Aldi füttern?“. Ein Wirbelwind wäre nichts gegen den aufbrausenden Shitstorm.

Nun aber zu meinem Lieblingsthema: Halsband oder Geschirr.
Auf den Weiten des Niederrheins sieht man momentan viele Junghunde und Welpen, geführt an Leinen und Halsbändern. Da wird geruckt, gezogen, auf die Leine getreten, sodass der Hund sich fast überschlägt, sobald er ins Halsband kracht, aber auch sehr sehr viele erwachsene Hunde, die mal wieder mit ihren Herrchen oder Frauchen spazieren gehen. Erst kommt Hund, im schlimmsten Falle hechelnd und würgend, gefolgt von einer strammen Leine mit einem ausgestreckten Arm und dann ein sich gegen den Druck stemmendes Leinenende.

Ziehender Hund am Halsband

Solche Beobachtungen machen mich immer sehr traurig, und man kann nicht alle Hunde und Besitzer, wie es dennoch gerne in den Internetforen getan wird, über einen Kamm scheren. Unsere Rakete Jessie läuft fast (!) immer locker an der Leine, bei unserer Aila hat es extrem lange gedauert, bis wir eine lockere Leine hinbekommen haben. Hier lag die Lösung in ganz kleinen Aufbauschritten. Jedes von mir gewollte schnelle Erlernen Lockerlaufen warf mich um Längen zurück.

Viele Trainer und Lehrer habe ich in den letzten Jahren kennengelernt. Den meisten habe ich nach kurzer Zeit den Rücken gekehrt. Für mein Dafürhalten kann Hundeerziehung nur ohne Schmerzen, Stress und Angst funktionieren. Und hier meine ich auch die Angst bei uns Leinenenden, denn viele haben schon von weitem Kopfkino: „ Da kommt mir ein anderer Hund entgegen, jetzt wird meiner gleich wieder wie wild ziehen“.

Und da sind wir auch bei meinem absoluten Lieblingsthema „Kommunikation“:

Wann lernen wir Menschen endlich, unsere Hunde zu verstehen und zu lesen. Wir nennen sie Partner, Freunde mit Fellnase, aber wir zerren, rucken, packen, starren
und würgen unsere Hunde.

Jetzt kommen wieder die Stimmen „Mein Hund zieht nicht“. Das ist toll, aber noch einmal: jeder Hund und jedes menschliche Leinenende ist anders. Und daher sollte das Training auch individuell auf den Hund und den Menschen angepasst sein. 
Viele erzählen mir in den Telefonberatungen, auf dem Hundeplatz läuft Bello wie eine eins neben mir, und sobald wir vom Platz runter sind, fliege ich von Laternenpfahl zu Laternenpfahl. Diese geschilderte Situation kann man übrigens wunderbar auf fast allen Hundeplätzen beobachten.

Aber warum ist das so? Der Hund schaltet, sobald ihr den Platz betretet, in den „Trainingsmodus“, aber auch eure Körpersprache ändert sich komplett: die Brust geht raus, die Schrittfolge ändert sich und die Stimmlage auch. Somit sind Umrundungen von anderen, fremden Hunden bis auf wenige Zentimeter Luft kein Problem, hingegen würde draußen auf dem Feld „die Post abgehen“.

Dann sind viele Hundehalter und Trainer komplett überfordert, es wird zu Mitteln wie Halbwürgern, Zugstopp-Halsbändern, Würgern oder im schlimmsten Fall sogar zu Stachelhalsbändern gegriffen.

Die Gefahr bei allen Halsbändern ist: Je mehr Druck und Kraft auf eine bestimmte Stelle am Hals ausgeübt wird, desto höher und wahrscheinlicher sind Verletzungen am Hund.

Viele dieser Verletzungen werden auch erst Jahre später bemerkt. Denn aus tiermedizinischer Sicht sind alle Halsbänder (sobald Zug entsteht) problematisch.
Läuft der Hund locker und flockig an deiner Seite, ist alles safe und dein Hund wird durch das Halsband nicht belastet. Wird jedoch Spannung oder Zug über die Leine auf das Halsband aufgebaut, wirkt sich dies auf den Körper und die Organe deines Hundes aus (Siehe Darstellung).


Verletzungen durch Halsband gebrauch beim Hund


Unterhalb der Halswirbelsäule liegen unter den Muskelgruppen die Luftröhre, die Halsschlagader und die Speiseröhre sowie Nerven und die Schilddrüse. Durch den Zug am Halsband werden diese regelrecht zusammengequetscht und es kann zu Verletzungen und Einschränkungen der dieser Organfunktionen kommen.

Das hört man auch am Röcheln des zerrenden Hundes. Durch fehlenden Sauerstoff kann es zur Atemnot bei deinem Hund kommen und ein Lungenödem entstehen, die Schilddrüse kann erkranken und es ist ein Anstieg des Augeninnendruckes zu beobachten. Nicht selten sind auch Nervenverletzungen, Bandscheibenvorfälle und Spätfolgen wie Arthrose oder Spondylose zu beklagen.

Sollte euer Trainer euch Würgehalsbänder empfehlen, dreht euch schnell um, denn sie verfügen über keinen Zugstopp und sind in Deutschland auch verboten. Diese Non-Stop-Bänder führen unweigerlich zur Strangulation deines Hundes. Gerne wird, auch von einem US-amerikanischen Trainer, das Anlegen direkt hinter den Ohren praktiziert. Der Hund gerät sofort in Atemnot, da hier die Luftzufuhr im Kehlkopfbereich unterbrochen wird.

Auch Stachelhalsbänder mit Gumminoppen auf den Stacheln sind nicht zu empfehlen, da es hier zu erheblichen Quetschungen der Organe kommen kann. Ohne diese Gumminoppen kann es bei Zug zu tiefen Wunden am Hund kommen.

Wie geschildert, befinden sich am Hals sehr empfindliche Organe, welche auch durch den leider berühmten „Leinenruck“ geschädigt werden können und zu Schmerzen führen. Ein Leinenruck ist nichts anderes als eine Bestrafung eures Tieres für eine Aktion, die euch missfällt. Dabei ist es völlig egal, ob der Leinenruck von oben oder von der Seite kommt.

Vielmehr sollten wir unserem Hund einfach einmal zeigen, was wir von ihm erwarten und erwünschtes Verhalten positiv bestärken. Denn viel zu oft reagieren wir nur auf nicht gewünschtes Verhalten, aber gerade anders herum wird ein Schuh daraus. Lobt und bestätigt euren Hund, wenn er etwas gut gemacht hat. Denn dies wird er viel lieber wiederholen. Und führt euer Training in kleinen und leichten Schritten durch.

Viele Hunde brauchen auch bei einer Begegnung Abstand zu einander, gerade auf engen Wegen kann dies problematisch werden. Gebt eurem Hund diesen Abstand und die Sicherheit. Geht doch ein Stück ins Feld hinein und versucht, diese Distanz mit der Zeit zu verringern. Die Wölfe machen auch einen grossen Bogen umeinander, wenn sie sich treffen, und die wollen auch nicht „Nur mal eben Guten Tag sagen“.

Dennoch sind auch Geschirre nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Zu kleine und enge Geschirre sind abzulehnen. Geschirre sollten auch an das Wachstumsverhalten eures Hundes anpassbar sein. Ein Geschirr muss auch nicht wie ein Korsett stramm am Hund sitzen, wenn er locker läuft. Generell solltet ihr von sogenannten Norwegergeschirren /Brustriemengeschirren (siehe Darstellung) die Finger lassen. Die Bewegungsfreiheit eures Hundes wird dadurch eingeschränkt, da das Geschirr über dem Schultergelenk liegt. Durch Zug wird Kraft auf Punkte des Gelenkes ausgeübt.

Welcher Geschirrtyp für deinen Hund

Daher empfehlen wir die sogenannten Y-Geschirre oder Schulterriemengeschirre. Hier sorgen, im besten Falle, zwei Schultergurte dafür, dass der Brustkorb und die Schulter „umschlossen“ werden. Dadurch entsteht weniger Druck auf die Gelenke der Schulter und dieser wird gleichmäßig auf den Brustkorb verteilt.

In unseren Beratungsgesprächen weisen wir immer wieder darauf hin, dass ein Geschirr, auch unsere mit dem zusätzlichen Brustring (der das Ziehen an der Leine verringern soll) ein Hilfsmittel und kein Heilmittel ist. Diese Situation wird deinen Hund zunächst wundern: Wir empfehlen wir deinen Hund, wenn er nun an locker an deiner Seite bleibt, positiv zu bestärken und dieses neue Verhalten zu loben!

Lies doch auch unseren Beitrag „Führst du schon oder würgst du noch?“.

In diesem Sinne

Alexander

Ganz gleich welche Art von Geschirr Alltagsgeschirr, Schutzdienstgeschirr, Mantrailgeschirr oder ein mitwachsendes Geschirr für den jungen Hund du benötigst, wir beraten dich gerne!

3 Gedanken zu „Halsband oder Geschirr?“

  1. In meiner Hundegruppe sehe ich jeden Tag, was wir mit den Hunden machen, da wird geruckt, gezerrt und gezogen. Und empfielt man ein Geschirr trifft man auf taube Ohren, auch unter Trainerkollegen.
    Wann lernen die Menschen, dass Halsbänder total Oldschool sind. Es geht doch ums wohl des Tieres, aber aus modischen Gründen, wird noch immer der Strick umgebunden. Schade

    Antworten
  2. Das waren die 70 Jahre, wo ich den ersten Geschirr in einer Lederherstellungswerkstatt anfertigen ließ. Ich wollte, dass unser sehr großer Hund mich und den Schlitten zieht. Zuerst habe ich durch Hilfe meines Vaters selbst was gebastelt, den meine Mutter hat mir ausdrücklich verboten es mit dem Halsband zu tun. Damals hat mir meine Mutter eine Grafik des menschlichen Halses aus dem Krankenhaus gebracht und auch erklärt welchen Schaden ich dem Hund antun kann. Ich war damals 10 und meine ganzen Ersparnisse gingen drauf. Mit dem Zuschuss von der Oma habe ich es doch kaufen können.Ich finde es bis heute so, dass ein Geschirr das beste für die Vierbeiner ist. Sicher ich habe weiter Fehler begannen und meine eigene Hunde auch auf dem Halsband geführt, dann aber doch aufs Geschirr gewechselt. Bei meinem Trainer und Freund fliegen die Hunde mit dem Besitzer aus dem Kurs raus, wenn kein Geschirr angezogen wird. Ein wirklich perfekter Beitrag.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Markus Antworten abbrechen